Das Bauchhirn
Unser Darm ist mehr als nur ein Ort der Verdauung.
Wie aktuelle Forschung zeigt: Darm und Gehirn sind durch Nervenstränge miteinander verbunden, weshalb man auch von der Darm-Hirn-Achse spricht.
Was es damit auf sich hat und was Darmbakterien damit zu tun haben, erfahren Sie in diesem Beitrag.
3. Februar 2023
Frischverliebte haben Schmetterlinge im Bauch. Unangenehme Situationen schlagen auf den Magen. Manche vertrauen auf ihr Bauchgefühl oder entscheiden sogar aus dem Bauch heraus.
Es ist also nicht weiter verwunderlich, wenn Stress auf den Magen schlägt. Die Folgen können Durchfall, Verstopfung, Appetitlosigkeit oder Heisshungerattacken sein. Solche Beschwerden haben also nicht zwingend mit einer Beeinträchtigung des Magen-Darm-Traktes zu tun, sondern können auch von der Psyche ausgehen.
Umgekehrt vermutet man aber auch, dass die Zusammensetzung unserer Darmflora mit den unterschiedlichen Darmbakterien ebenso einen Einfluss auf unsere Psyche hat – getreu dem Motto: Du bist, was du isst.
Deshalb bekommt die Thematik rund um die Darm-Hirn-Achse immer mehr Bedeutung in der Therapie und Ursachenforschung von Krankheiten, die den Magen-Darm-Trakt oder das psychische Wohlbefinden betreffen.
Das Nervensystem von Darm und Gehirn
Das Nervensystem des Menschen besteht aus dem zentralen Nervensystem (ZNS) und dem peripheren Nervensystem (PNS). Zum zentralen Nervensystem gehören das Gehirn sowie das Rückenmark.
Alle Nervenstrukturen ausserhalb von Gehirn und Rückenmark wie zum Beispiel Arme und Beine sind Bestandteil des peripheren Nervensystems. Beide Systeme sind zwar räumlich voneinander getrennt, aber sie bedingen einander und können daher nur zusammen funktionieren.
Das Nervensystem vom Darm gehört ebenfalls zum peripheren Nervensystem, genau genommen ist es das sogenannte enterische Nervensystem (ENS). Dieses verbindet die Verdauung und somit den Darm mit dem Gehirn. Es besteht aus mehreren hundert Millionen Nervenzellen und erstreckt sich über die gesamte Wand des Magen-Darm-Trakts, also von der Speiseröhre bis zum Darmausgang. Die Nervenzellen ermitteln, welche und wie viele Darmbakterien sich gerade im Verdauungstrakt befinden, wie der Nahrungsbrei zusammengesetzt ist und welche Nährstoffe der Körper aufnehmen oder ausscheiden soll.
Diese Informationen vom Darm werden vor allem über den Vagus-Nerv, das sogenannte Bauchhirn, an das Gehirn weitergeleitet. Es ist jedoch keine Einbahnstrasse. Hier findet eine kontinuierliche Kommunikation zwischen den beiden Organen statt.
Psyche, Immunsystem und Mikrobiom
Die Kommunikation verläuft aber nicht nur über Nervenbahnen, sondern auch über Botenstoffe, die sich im Blutkreislauf befinden.
In den Zellen der Darmwand werden beispielsweise etwa 90 Prozent des Glückshormons Serotonin und 50 Prozent des Dopamins produziert.
Diese beiden Hormone haben im Verdauungstrakt und im Gehirn unterschiedliche Effekte: Im Bauch steuert Serotonin den Rhythmus der Darmtätigkeit, im Gehirn beeinflusst es unsere Stimmung. Dopamin regelt im Darm die Durchblutung, wohingegen es im Gehirn das Belohnungszentrum stimuliert.
Diese und weitere Substanzen werden unter anderem vom Darmmikrobiom, also unserer Darmflora, gebildet. Wie sich in bisherigen Untersuchungen herausgestellt hat, spielen diese Mikroorganismen im Darm auch eine wichtige Rolle für unser Immunsystem.
Darmflüsterer
In unserer Darmschleimhaut befinden sich Billionen dieser winzigen Darmbewohner. Unablässig flüstern sie in der Kommunikation zwischen Darm und Gehirn dazwischen und beeinflussen so unser Wohlbefinden auf positive als auch auf negative Weise.
Neben der Darmschleimhaut ist auch das darmassoziierte Immunsystem (kurz: GALT) zu erwähnen: Es ist das grösste Immunorgan des Körpers, das merklich an der Abwehr krankheitserregender Substanzen und Mikroorganismen beteiligt ist. Im GALT sind nämlich 70 Prozent aller Immunzellen unseres Körpers zu Hause. Darmschleimhaut, Darmflora und GALT bilden gemeinsam die Darmbarriere, die für unser Immunsystem immens wichtig ist.
Neuere Untersuchungen weisen ausserdem darauf hin, dass ein Ungleichgewicht der Darmflora auch negative Auswirkungen auf unsere Psyche haben kann. Zurzeit wird der Begriff «Psychobiotika» von führenden Wissenschaftlern geprägt. Diese speziellen Probiotika sollen das psychische Wohlbefinden unterstützen und sich positiv auf stressbedingte Symptome auswirken können. Die Studienlage hierzu ist jedoch noch dünn. Aber solche und weitere Erkenntnisse sollen künftig dabei helfen, stressbedingte Krankheiten wie zum Beispiel Depression, Angststörungen, Parkinson, Multiple Sklerose (MS) oder Reizdarm früher und einfacher zu erkennen und womöglich auch besser zu behandeln.
Ob wir Stress und Krankheitserreger gut wegstecken können, hängt somit zu einem gewissen Grad vom Zustand unserer Darmflora ab, die wir durch regelmässige Bewegung und eine ausgewogene Ernährung unterstützen können. Eine ausgewogene Darmflora stärkt somit das Immunsystem und trägt zur inneren Balance bei. Hören Sie also öfters auf Ihr Bauchgefühl und denken Sie daran: tragen Sie Ihrer Darmgesundheit Sorge. Sie wird es Ihnen mit einem guten Gefühl danken.
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